Quartschen (=Chwarszczany, Komturei, Polen)
Rekonstruktion der Komturei Quartschen aufgrund der archäologischen Forschungen unter Leitung von Prof. Kolosowski (Torun).
Zeichnung: M. Salanski. (Bildquelle: Gahlbeck/Heimann/Schumann, Regionalität und Transfergeschichte, 2014)
Die Niederlassung befindet sich 11 km von Küstrin entfernt am Fluß Mietzel. Zu Beginn der 30er Jahre des 13. Jahrhunderts wurde das Dorf Quartschen (Chwarszczany) einschließlich umgebendem Land durch Herzog Heinrich I. von Schlesien dem Templerorden geschenkt. Für diesen Akt gibt es jedoch keine Urkunde. Überliefert ist dem hingegen die 1232 getätigte Schenkung von Quartschen, 1000 Hektar Land und dem Recht, in dem Ort einen Markt nach deutschem Recht einzurichten durch den Herzog Wladislaw Odonic von Großpolen, dem politischen Rivalen des Schlesiers. Es ist möglich, dass letzterer das Land, welches er hier verschenkte, jedoch gar nicht rechtskräftig besaß, sondern dieses Heinrich I. gehörte.
Das Ziel der Schenkung lag in der Förderung
der Kultivierung und Besiedlung des Landes, jedoch scheint auch die militärische
Bedeutung der Templer nicht gering geschätzt worden zu sein: So vereiteln
die Ordensbrüder von Quartschen bereits 1233 den Vorstoß Herzog
Barnims I. von Pommern Richtung Süden und veranlassen diesen zur Aufnahme
von Verhandlungen. Allerdings könnte hier auch die reine Tatsache, dass
ihm kirchlicher Besitz im Wege stand und das diplomatische Geschick der Templer
gewirkt haben. Jedenfalls beschenkte Barnim I. den Orden anschließend
ebenfalls mit Land und Rechten über weitere Siedlungen. Die schwankenden
politischen Verhältnisse in dieser Grenzregion veranlassten die Templer,
mehrfach eine päpstliche Bestätigung ihrer Besitzungen und Rechte
hier einzuholen. So auch 1257 von Papst Alexander IV., nachdem die Markgrafen
von Brandenburg Anrechte auf die Ländereien geltend gemacht hatten.
Von einem Großteil der Besitzungen durften die Templer den Zehnten erheben,
mussten dafür aber dem Bischof von Lebus, in dessen Gebiet der Grund
lag, eine Naturalienpacht entrichten. 1261 gehörten bereits 11 Dörfer
zum Besitz des Ordenshauses Quartschen, sowie große Wald- und Heidebezirke,
das Fischereirecht, einiger Viehbestand sowie ein oder zwei Mühlen. In
allen Besitzungen verfügte der Orden über die hohe und niedere Gerichtsbarkeit,
und seit 1236 bereits die Zollfreiheit, die nicht nur für die Brüder
selbst, sondern auch ihre Untertanen galt. In den Dörfern besaß
er das Patronatsrecht über die Pfarrkirchen - was allerdings keineswegs
heißt, das diese mit Ordenspriestern besetzt gewesen wären.
Die brandenburgischen Markgrafen nutzen den ihrer Meinung nach ideal gelegenen
Platz als Quartier und Lager bei ihren Jagden, und die Templer waren wie später
auch die Johanniter zum Unterhalt des Gefolges und zur Haltung einer Jagdhundemeute
verpflichtet.
In den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts wurde der Ort zu einer der
bedeutendsten Templerhäuser im Osten Europas. Der erste Komtur ist allerdings
erst aus dem Jahr 1282 überliefert - wann Quartschen in den Status einer
Komturei erhoben wurde, kann daher nicht mit Sicherheit gesagt werden. 1286
trat mit Markgraf Otto VI. von Brandenburg ein Mitglied des deutschen Hochadels
in den Orden ein. 1291 wurde das Haus zur Residenz des Provinzmeisters für
"Polen, Pommern und die Neumark" Bernhard von Eberstein, und mindestens
ein Provinzialkapitel wurde hier abgehalten - weitere urkundliche Beweise
für diese neue Provinz fehlen allerdings.
1318 ging die Komturei und ihre Dependancen in den Besitz der Johanniter über,
und auch die zum Zeitpunkt der Auflösung des Templerordens auf Quartschen
lebenden Brüder scheinen übernommen worden zu sein.
Architektonisch handelte es sich ursprünglich um eine Hofanlage mit Kirche einschließlich Friedhof. Der Gebäudekomplex wurde in späterer Zeit von den Johannitern ausgebaut und verändert. Ein Inventar von 1737 gibt einen hervorragenden Überblick über die damalige bauliche Situation. Eine erste Kirche wurde sehr wahrscheinlich bereits kurz nach der Schenkung des Gebietes an den Templerorden errichtet. In der zweiten Hälfte des 13. Jhs. begann man mit einem imposanteren Hallenkirchen-Neubau aus Backsteinen über einem Feldsteinsockel, der 1280 vom Bischof von Lebus mit Allerheiligenpatronat geweiht wurde. Es gibt unterschiedliche Forschungsmeinungen, ob der Feldsteinunterbau einer älteren Kirche zuzuordnen ist oder nicht. Das Westportal weist ein gestuftes Feldsteingewände auf, das südliche Portal ein Formsteingewände. Die Gestaltung der Westfassade weist Ähnlichkeiten mit zisterziensischen Anlagen in Chorin und Pelplin auf; ein weiterer Vergleichsbau ist die Franziskanerkirche in Neuruppin. Allerdings ist nach dem momentanen Stand der Forschung nicht festzustellen, ob Quartschen oder Neuruppin der jeweilige Vorbildbau war. Gesichert kann jedoch gelten, dass dieselben Bauleute an beiden Kirchen tätig waren. Auch Quartschen rezipiert in den Grundrissmaßen die biblischen Angaben zum Salomonischen Tempel, orientiert sich in der Bauausführung aber eher an herrschaftlichen Architekturkonzepten - vielleicht, weil Markgraf Otto VI. 1286 hier in den Orden eintrat.
Die originalen Abschlüsse der Westtürme sind allerdings nicht mehr erhalten, sondern wurden in Johanniterzeit ersetzt. Die Kapelle ist kreuzrippengewölbt, mit Dienstabschlüssen, die Blattmotive auf der Unterseite tragen. Die Fresken stammen ebenfalls aus der Zeit der Johanniter. Außer der Kapelle wurden alle Gebäude der Komturei im 18. Jh. zerstört. Im 19. Jhd. wurden die Langhausfenster mit einer Maßwerkrosette rekonstruiert - ob diese authentisch ist oder eine Erfindung des 19. Jhds. ist unklar. Seit 2004 finden archäologische Untersuchungen statt.
Zwei Luftaufnahmen der restaurierten Kirche in Quartschen (Bildquelle/Copyright: Michael Schmidt, Rostock)
Innenansicht um 1920 (Bildquelle/Copyright: Dia-Archiv Kunstgesch. Seminar, Hamburg)
Grundriss (Bildquelle/Copyright: Dia-Archiv Kunstgesch. Seminar, Hamburg)
Komture von Quartschen:
1282-1285
Heinrich
1291 Bernhard von Eberstein
1308 Günter von Köthen
- Heimann, H.-D., Neitmann, K. u.a. (Hrsg.): Brandenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte und Kommenden bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, 2 Bde., Berlin 2007, Bd. 2, S. 991-1018. (mit ausgiebigen Quellenangaben)
- Kolosowski, P., Sieminska, D.: The Templars' sites in Rurka (Rörchen) and Chwarszczany (Quartschen) in the light of latest studies, in: Gahlbeck, Chr., Heimann, H.-D., Schumann, D. (Hrsg.): Regionalität und Transfergeschichte. Ritterordenskommenden der Templer und Johanniter im nordöstlichen Deutschland und in Polen, 2014, S. 442-457.
- Skazinski, B.: La permiere et la seconde chapelle du château des Templiers de Chwarszcany, in: Mitteleuropa. Kunst-Regionen-Beziehungen, Hrsg. v. Passuth, K., Budapest 1995.
- Schumann, D.: Die mittelalterlichen Ordensbauten der ehemaligen Templerkommenden in Lietzen und Quartschen (Chwarszcany). Konzepte sakraler Architekturgestaltung im späten 13. Jahrhundert, in: Gahlbeck, Chr., Heimann, H.-D., Schumann, D. (Hrsg.): Regionalität und Transfergeschichte. Ritterordenskommenden der Templer und Johanniter im nordöstlichen Deutschland und in Polen, 2014, S. 412-441.